Ich hoffe, ihr hattet gute Weihnachtstage. Meine waren sehr fein. Recht unverhofft eigentlich. Für das neue Jahr habe ich mir heuer kaum etwas vorgenommen. Wie das mit den Neujahrs-Vorsätzen so ist, brauche ich euch vermutlich nicht zu beschreiben, wir kennen sie alle die Vorsätze, die meist schon im Laufe des Januar ganz nach hinten rutschen in der Prioritätenliste oder sich einfach in Luft auflösen. Ganz ohne Vorsätze habe ich aber überraschenderweise gleich am Morgen des ersten Januar einige auf die lange Bank geschobene Dinge in die Hand genommen. Die schon einige Zeit im Kühlschrank vor sich hinvegetierende Schüssel mit Gemüseabfällen wurde zu einer Gemüsebrühe verarbeitet. Diese Brühe habe ich von Francisca, meiner Schwiegertochter to be, gelernt. Karotten-, Zwiebel-, Sellerieschalen und sonst noch brauchbare Gemüseabfälle werden in etwas Olivenöl angebraten, aufgegossen, mit Salz und wer möchte mit einem Bio-Gemüsebrühwürfel ergänzt und aufgekocht. Diese Brühe friere ich entweder ein oder verwende sie zum Beispiel für einen Risotto. Diese hier wird die Basis für einen Asian Hot Pot (danke Mirjam und Florens für den Tipp eine Hot Pot Ausrüstung zu kaufen), den es am Montagabend für Freunde gibt.
Dann habe ich mich an unsere „Spirituosen Bar“ gemacht, die sich oberhalb des Kühlschranks und Ofens entwickelt hat. Seit Monaten schaue ich jeden Tag hinauf und störe mich an dem Drunter und Drüber. Nun ist ausgemistet, einiges in die Abstellkammer verfrachtet und die Flaschen ordentlich aufgereiht.
Dann: Endlich das Tiefkühlfach abgetaut, seit langem war das nurmehr ein Hineinquetschen. Drei große Säcke mit Pflaumen und Marillen aus dem Garten müssen nun allerdings in den nächsten Tagen verarbeitet und gegessen werden. Da ich zwar gerne hausgemachte Marmeladen esse, selbst aber keine machen möchte, wird das wohl ein Kompottprogramm für die nächsten Wochen.
Dazwischen mehrere Cappuccini mit Oatley und Durchräuchern der Wohnung mit getrocknetem Salbei aus dem Garten. Und gegen Ende des fröhlichen Ordnens das jährliche Neujahrskonzert, heuer dirigiert von Maestro Barenboim. Daniel Barenboim hat im Pausengespräch auch einige sehr kluge Dinge gesagt. Er wünsche sich Gerechtigkeit für die Palästinenser und Sicherheit für Israel und dass Musik für politische Zwecke unbrauchbar sei, Musik sei Musik und kein politisches Instrument, so ungefähr jedenfalls erinnere ich mich an seine Worte. Dem kann ich nur zustimmen. Das Neujahrskonzert ist einer der wenigen Momente, wo ich mich wirklich darüber freue, als Österreicherin geboren worden zu sein. Diese perfekte Unperfektheit eines Walzers ist für mich so typisch österreichisch, ich kann dieses Gefühl gar nicht richtig erklären, aber ich spüre es ganz tief drin.
Aber halt, einige kleine Vorsätze hatte ich doch für diese Tage zwischen den Jahren und danach: ein ziemlich ambitioniertes Lektürevorhaben und (Nach-) hören und sehen von einigen Podcasts und Sendungen. Geworden sind es bisher allerdings nur Agatha Christie und Seinfeld. Aber ich habe die Bücher und Magazine zumindest geordnet und schön aufbereitet für die hoffentlich bald angegangene Lektüre.
Den Titel dieses Newsletters habe ich einer Zeichnung von Stefan Brandtmayr – Künstler, Designer, Bühnenbildner, humorvoller und lebenskluger Freund – entnommen. Stefan hat uns beim Umbau unserer Wohnung geholfen bzw. erst möglich gemacht, dass aus einem Farben- und Formchaos, eine uns entsprechende und heiß geliebte Wohnung wurde. Wir haben ihn und seine Frau Cornelia am letzten Tag vor Sylvester in Linz besucht, gemeinsam gegessen und vor allem getrunken. Was für ein beschwingter und heiterer Abend, alle haben tief in den jeweiligen Familiengeschichten gekramt, wir haben schöne und weniger schöne Erinnerungen geteilt, Absurditäten, kleinere und größere Tragödien – bei all dem gibt es ja auch immer sehr komische Anteile. (Selbst-) Ironie habe ich (wieder mal) festgestellt, ist für mich ein unerlässlicher Teil der Lebensbewältigung. Die Spur für das kommende Jahr jedenfalls war gesetzt. Leichtigkeit ohne Oberflächlichkeit, Humor ohne Zynismus, Freundlichkeit ohne die Decke über das, was ist, zu werfen, nicht aufgeben, aber no „toxic positivity“. Die Zeichnung von Stefan drückt das für mich sehr gut aus. Da ist Vertrauen drin, Humor, Hoffnung und die Einsicht, dass unsere Leben ziemlich (zusammen-) gebastelt sind und wir am besten einfach weiterbasteln.
Sehr schön waren zwischen den Jahren auch einige Gespräche mit meinem Mann, mit Freunden, vor allem auch mit meinem Vater über den Anfang unseres Universums und die Entstehung der Wissenschaft(en). Der altgriechische Begriff τέχνη téchne auf den unser Wissenschaftsverständnis zurückgeht, bedeutet „Können mit den Händen“, Handwerk, aber auch „Können mit dem Geist“, Kunst, Kunstfertigkeit. Das finde ich interessant, Wissenschaft hat also ihren Ursprung im Handwerk und in der Kunst. Entscheidende Schritte seien hier vor allem von den Griechen vollbracht worden, die Römer, sagt mein Vater, hätten das nie entwickeln können, da ihnen ihre engen und sehr patriarchal geprägten Familienstrukturen im Wege standen. Das war nämlich so: Die Söhne des Hauses waren so lange nicht rechtsgeschäftlich und politisch handlungsfähig, solange der Hausvater am Leben war. Nur die Hausväter waren autonom. Well, well, die Römer… Von téchne ging es dann weiter in Richtung „Episteme“, das heißt man hat gesehen, dass es auch eine strenge Wissenschaft gibt wie etwa die Mathematik und später dann die Naturwissenschaften. Jedenfalls forscht und schreibt mein Vater darüber.
Von téchne ging es dann in unseren Gesprächen weiter zum Ursprung des Lebens, zu Seele, Psyche und Sinn. Über den Anfang aller Anfänge wissen wir bis jetzt ja nicht sehr viel. Gab es überhaupt einen Anfang? Was war vor dem Urknall? Ich glaube, dass wir mit unseren zwar sehr potenten, aber doch begrenzten geistigen Möglichkeiten Ewigkeit und Unendlichkeit gar nicht denken können. Das liegt außerhalb unserer Reichweite. Ich habe damit auch kein großes Problem, brauche keine Religion dazu, die mir sagt, dass da ein (personaler) Gott mit im Spiel sei. Eine personale Gottesvorstellung erscheint mir so irrational, dass ich mich immer wieder wundere, dass man das so ernst nehmen kann, daraus vor allem politische Konsequenzen ableiten möchte. Klar, wir alle brauchen auch Trost und klar, den findet jede*r woanders. Der Sinn des Lebens liegt für mich im Leben selbst. Ob Seele, Geist, Bewusstsein, Psyche – u name it – in irgendeiner Form weiterbestehen, wissen wir nicht. Je älter ich werde desto skeptischer machen mich auf Transzendenz ausgerichtete Lehren. Meist ist es ja genau umgekehrt. In diesem Zusammenhang hat mich der vor kurzem erfolgte Start des neuen Weltraumteleskops Webb tief beeindruckt. 13 Milliarden Jahre kann, wenn alles klappt, zurückgeschaut werden in der Entstehung unseres Universums, bis knapp zum Urknall. Das begeistert mich. Und rückt manches zurecht im Leben finde ich. Deswegen schaue ich auch so gerne in den Sternenhimmel. Die Größe des Universums, die Entfernung der Gestirne und Galaxien, das Alter und die Komplexität des Weltraums wirken beruhigend und wenn notwendig, auch tröstend auf mich. Da fühle ich mich als klitzekleiner Teil eines großen Ganzen. Und da fällt mir doch noch ein richtiger Vorsatz für dieses Jahr ein: endlich das Südtiroler Planetarium in Gummer mit seinem Teleskop zu besuchen.
Diese Gesprächsthemen haben sich fortgesetzt mit meinem Taufpaten, den wir kurz vor Neujahr in Salzburg besuchten. Er ist Psychiater, ein sehr gewichtiger, und er beschäftigt sich u.a. mit architektonischer Philosophie des Gehirns, mit Logik, Computerwissenschaften und Robotik und ist dabei sehr gläubig. Und er meinte: „Susanne, du warst ja schon immer sehr in deinem Kopf, es ist ganz wichtig das runterzubringen“. Da muss ich aber dazu sagen, dass wir uns seit fast 20 Jahren nicht mehr persönlich getroffen haben. Ich finde ja, da hat sich schon recht viel in diese Richtung getan. Mein Mann meinte darauf, ich hätte immerhin einen Mann geheiratet, der Landwirtschaft studiert hat und auch sonst sehr praktisch sei. Dennoch: die Welt des Geistes ist für mich spannend, ich lese und unterhalte mich gerne mit Menschen, die sich tief in ihre (Wissenschafts-) Disziplinen hineingearbeitet haben und Zusammenhänge herstellen können. Ich tauche einfach mit großem Vergnügen in neue Welten ein und möchte für mich Neues erfahren und verstehen. Eine gewisse „Kopflastigkeit“ gehört eben zu mir, damit habe ich meinen inneren Frieden geschlossen.
Was ich mir aber wünsche (für mich) für dieses Jahr: mehr Heiterkeit und mehr Gelassenheit.
Habt ihr Vorsätze? Ein gutes, neues Jahr wünsche ich euch jedenfalls. Das wird schon! Und bleibt mir gewogen.
Yours,
Frau Susi
PS
Diese Schublade harrt noch der Neujahrs-Aufräum-Energie.
PPS
Im Sustainable Fashion Blog gibts was zum Fashion Status quo und dazu einige Slow Fashion New Year’s Outfits und im Post zuvor spreche ich mit dem Blogger Nick Johannessen über seinen Podcast Garmology und seinen Blick auf die nachhaltige Modeszene.
Ach, Frau Susi!
Die Neujahrsvorsätze, wieder mehr Leichtigkeit, Gelassenheit und Freude ins Leben zu bringen, haben gut gestartet und trotzdem bin ich jetzt um Mitternacht wieder aufgestanden, nachdem ich in über einer Stunde herumdrehen im Bett nicht in den Schlaf finden konnte…
Aufräumen, ja, das tut gut, denn das Ordnen des Äußeren sortiert gleichzeitig oft auch das Innere.
Und ein Kopfmensch, bin ich das auch? Hm, letztes Jahr schienen mich die Gefühle zu übermannen. Also doch kein Kopfmensch. So sehr der Verstand seine Berechtigung hat, so sehr sehe ich mit zunehmendem Alter seine Begrenztheit. Vielleicht so erklärt: Wir glauben, was wir sehen, obwohl wir wissen, dass wir vom bekannten Lichtspektrum (und wahrscheinlich gibt es darüberhinaus noch viel mehr) ja nur einen ganz kleinen Teil mit unseren Augen wahrnehmen können. Genauso ist es mit dem Gehör. Und ebenso erscheint es mir zwar faszinierend, wenn wir Raumsonden zu unseren Nachbarplaneten schicken können, doch den Weltraum zu entdecken oder gar wirklich zu verstehen wird so nie funktionieren, wenn wir in unseren drei Dimensionen bleiben. Daher ist für mich die Transzendenz schon hoch angesiedelt. Im Weggehen vom Verstand konnte ich einen Hauch von Einsichten erlangen,
die viel tiefer gingen, als es mit der reinen Kopfebene möglich wäre. Und nur so kann auch eine echte Begegnung mit meiner dementen Mutter gelingen. Aber erstaunlicherweise funktioniert das, wenn ich es schaffe, mich darauf einzulassen.
In diesem Sinne auch für mich ein hoffnungsvolles 2022 mit einem Einlassen, auf alles, was da kommen mag, vertrauensvoll, aber als Mensch, der ich ja bleibe, auch kritisch, empört, erfreut, lachend und weinend.
Aufräumen gut und recht, aber von Madame Kondo gibt’s schon lange nichts Neues mehr, was mich auf eine bessere Zukunft hoffen läßt. Danke für die Inspiration 🤗