Es ist vermutlich nicht sehr originell in dieser Zeit über Fußball zu schreiben, aber nicht nur drängt sich das Thema auf, sondern ist es auch ein Thema, das mich durch mein Leben begleitet. Als Zusehende wohlgemerkt. Ich selbst habe 0 Talent für Ballspiele. Ganz egal ob mit Bein/Fuß oder Arm/Hand.
Schon als Kinder hat uns unser Vater vor den Fernseher gesetzt um die internationalen Fußball-Wettstreite mit ihm zu schauen. Meine Schwester und ich waren mit Herz und Seele dabei. Was haben wir geschrien, gejubelt und waren betrübt. Ich war verliebt in den Spieler Bruno Pezzey, Fußballkarten sammeln und Alben kleben gehörten zum unabdingbaren Repertoire meiner Kindheit. Genauso wie das fachsimplen von Opa und Papa über die diversen Bundesliga-Spiele am Sonntag bei Kuchen und Tee. Noch ein Bild ist mir in Erinnerung geblieben: Kollegen meines Vaters tragen ihn die Stiegen zu unserer Wohnung hinauf, mit Knieverletzungen und gebrochenem Arm, beides hat er sich als enthusiastischer Stürmer der Universitäts-Fußballmannschaft zugezogen. Weitere Verletzungen folgten.
Als Österreicherin ist man ja Fußball-Kummer gewöhnt, Highlights sind selten, noch heute ist der Sieg gegen Deutschland 1978 in Cordoba tief im nationalen Gedächtnis verankert. Deshalb habe ich mir immer andere Mannschaften gesucht, die ich gut fand. Mal waren es die Holländer, Argentinier, Brasilianer, Kamerun, Italien oder ein anderes Team, die Stürmer der jeweiligen Mannschaft waren mitentscheidend. Heute wechselt es, je nachdem, wer wie spielt, sich wie benimmt und so. Natürlich, in Italien lebend halte ich zu Italien, außer die Azzurri spielen schlecht oder fies. Ganz übel fand ich, als vor einigen Jahren herauskam, dass nicht wenige Top-Kicker ziemlich rechte Recken waren/sind. Überhaupt ist Fußball in dieser Beziehung ein problematisches Terrain. Sowohl was die Mannschaften als auch was die Fans betrifft. Einige Mannschaften schauen ja aus wie Schlägertrupps. Da Fußball eng mit nationalen Gefühlen verbunden ist und der Sport ab und an eine Nebenrolle zu spielen scheint, gönne ich manchen Mannschaften keinen Sieg, beziehungsweise hoffe ich, dass sie keine nationalen Höhenflüge einfahren. Wie habe ich mich heuer gefreut, dass Erdoğan und Orbán nicht jubeln konnten, auch Polen und Russland nicht. Ich kann da nicht neutral sein und den Sport vom Land und seiner politischen Verfasstheit trennen. Ein Brexit-England als Europameister wünsche ich mir nicht.
Ich verfolge nur die großen Sachen, also EM und WM, ab und zu Champions League. Vor vielen Jahren war ich auch mal im „San Siro“, beim Spiel Barcelona gegen Milan. Das war eine besondere Erfahrung. Und da ich sieben Jahre mit einem Holländer liiert war, und der ein guter Freund von Marco van Basten (den kennt ihr oder?) ist, habe ich auch einiges über Marco, Johan Cruyff und holländische Clubs mitgekommen. Ich habe sogar auf dem 40. Geburtstag von Marco in Holland getanzt!
Leider sind heuer einige Teams, die ich gerne weiter haben wollte, nicht weitergekommen. Wie Portugal und Frankreich, auch Deutschland hätte ich mir gewünscht, da ich viele deutsche Freunde habe. Nun denn. Die italienische Mannschaft macht mir und sicher auch vielen anderen bei dieser EM Freude, außer beim letzten Spiel. Es ist schön, sich am Abend entweder aufs heimische Sofa oder an einen anderen Ort zu begeben und einzutauchen. Ein Bier dazu, auch zwei.
Noch was ist mir eingefallen: Ich habe vor einigen Jahren interimsmäßig eine Bereichsleitung bei IDM Südtirol übernommen und hatte in dieser Zeit eine tolle Fußballerin im Team. Katja steht heute nicht nur im Tor des AC Florenz, sondern auch in dem der italienischen Frauen-Fußballnationalmannschaft. Überhaupt finde ich ist Frauenfußball immer noch viel zu wenig präsent und geschätzt. Verdienen tun die Damen auch kaum was. Unglaublich, wenn man sich die Summen der männlichen Kollegen anschaut, die die so einstreichen. Es sagt viel darüber aus in welcher Gesellschaft wir leben. Ich plädiere also für mehr Frauenfußball und behaupte auch, dass die Damen weniger anfällig sind für das ganze Macho-Gehabe, das den Fußball begleitet.
Aber immerhin kommentieren einige deutsche Top-Fußballerinnen in den Begleit-Sendungen des deutschen Fernsehens die aktuellen Spiele und auch die ein oder andere sehr fragwürdige UEFA-Entscheidung. Je länger diese EM geht, desto unguter werden diese Entscheidungen leider. Wie kann es sein, dass man eine Zuschauerzahl von 65.000 im Wembley Stadion in London zulässt? Dass wir zwei Stunden lang schwitzenden, schreienden, sich umarmenden, zusammengepferchten Fans zuschauen müssen? Als gäbe es Corona, vor allem die sich rasch ausbreitende Delta-Variante, nicht? England hat bereits Portugal zweimal in den Lockdown geschickt und hinterlässt regelmäßig Hotspots in anderen Städten und Ländern. Großbritannien hat die neue Variante bisher nicht im Griff, die Inzidenz ist bereits auf über 270 gestiegen.
Beim Spiel England gegen Dänemark habe ich mich so geärgert, dass ich mir den letzten Teil gar nicht mehr angeschaut habe. Auch wenn England die bessere Mannschaft war, aber mit einem geschenkten 11-Meter weiterzukommen ist sportlich gesehen würdelos.
Da diese EM Corona-bedingt ja ein Jahr später stattgefunden hat, gibt’s nächstes Jahr schon wieder eine Weltmeisterschaft. Aber leider im Winter in Katar, also nix mit Public Viewing draußen, höchstens mit Heizschirmen. Da haben die Scheiche wohl kräftig geblecht, denn der WM-Gastgeber wird international wiederholt wegen Menschenrechtsverletzungen und Homophobie kritisiert. Vielleicht falle auch ich bereits diversen Verschwörungstheorien zum Opfer, aber ich halte die UEFA für zutiefst korrupt. Dass England Europameister werden soll, kann durchaus gewollt sein.
Jetzt steht also nur noch das Finale auf dem Programm. Es wird mehr werden als nur ein einfaches Finale. Es wird auch darum gehen, den egoistischen und überheblichen Briten europäische Werte entgegenzusetzen. Ob die italienische Mannschaft das packen kann? Ich bin nicht rasend optimistisch, aber bekanntlich stirbt die Hoffnung ja zuletzt.
FORZA ITALIA!!! FORZA EUROPA!!!
Yours,
Frau Susi
Im Blog geht’s diese Woche um ein Lieferkettengesetz für Italien. Der Südtiroler Landtag hat auf Initiative der Grünen einen Begehrensantrag an das italienische Parlament gestellt. Das ist wirklich wichtig und ich hoffe, dass hier was weitergeht.
Die Kreativszene in Tirol hat sich in den letzten Jahren gut aufgestellt, eben ist die Homepage online gegangen und ich durfte was beisteuern zum Thema Kreativität. Schaut euch die Seite mal an, da ist viel Interessantes dabei.
Liebe Frau Susie!
Erstens: Ich kann mich an Federballduelle mit Ihnen erinnern, wo Sie sich sehr geschickt angestellt haben, also keine Spur von fehlendem Ballgefühl!
Zweitens: Gerade als Frau doch ein bisschen mehr kritische Distanz! Wenn Sie die ganze Euro als Theaterstück sehen, von mir aus, da ist es legitim mit Feuereifer seine Zuschauerrolle mitzuspielen. Aber es sollte doch immer im Bewusstsein bleiben, was hier mit uns gespielt wird. Wollen Sie wirklich, dass 11 völlig überbezahlte Männer ein Volk von 60 Millionen Menschen vertreten und politische vielleicht zu kritisierende Systeme mit Fußball vermischt werden?
Ich habe immer sehr gerne Fußball gespielt, aber nie in den starren Strukturen eines Vereins, sondern um der Eleganz des Agierens mit dem Ball willen.
Elegante Ballführung sieht man bei der EM aber kaum, vielmehr Gerempel, ausgefahrene Ellbogen und haltende Hände. Das hat für mich immer weniger mit eleganten Fußball zu tun.
Und dann frage ich mich auch noch, wie es sein kann, dass Profis, die Millionen kassieren ( verdienen tun sie es nicht) und nichts anderes machen, außer Fußball zu spielen, bei bestimmten Situationen, zum Beispiel beim Elfermeterschiessen, derart stümperhaft agieren, als hätten sie noch einen Elfer geschossen!? Aber das macht sie dann auch irgendwie wieder sympathisch menschlich!