Letzten Freitagabend fuhr ich von Innsbruck zurück nach Bozen. Ich besuche meine kranke Mutter regelmäßig. In Corona Zeiten ist der bürokratische Aufwand zwar etwas größer, aber die Straßensituation ist top. Keine Staus seit vielen Monaten. Dass Pfingsten vor der Tür steht und sozusagen das erste sturmfreie Urlaubs-Wochenende ist mir erst knapp vorher bewusst geworden, nachdem Test-Vormerkung und Pre Travel Clearance schon erledigt waren. Jedenfalls war schon richtig was los auf der Straße und am Brenner stand dann der Verkehr. Es war der erste internationale Stau seit langem, Autos aus verschiedenen Ländern waren wieder unterwegs. Wild entschlossen starteten gefühlt halb Österreich und Deutschland in den ersten Kurzurlaub, trotz sehr mauer Temperaturen und schlechtem Wetter. Hauptsache Urlaub!
Nach dem Brenner ging es dann recht flüssig weiter, auch die Mautstelle bei Sterzing war ok und die Tempo 100 geplagten Tiroler bretterten was das Zeug hielt an mir vorbei. Geschwindigkeitsbeschränkungen gelten vermutlich nur zu Hause. Da fällt mir ein, die Ungutesten in dieser Hinsicht sind die Schweizer. Die Strafen in der Schweiz, egal ob In- oder Ausländer, sind ja wahnwitzig und bewegen sich in der Höhe eines halben Monatseinkommens eines durchschnittlichen EU-europäischen Arbeiters. Wisst ihr, dass der Schweizer Staat die Strafen, die seine Untertanen in anderen Ländern ansammeln, nicht weiterleitet? Das heißt, die Schweizer Tempo-Sünder zahlen nur wenn auf frischester Tat ertappt. Daher zeigen sie im Ausland auch gerne wieviel PS ihre blankpolierten, wuchtigen Panzerfahrzeug ähnlichen Gefährte wirklich haben.
Aber wieder zurück, wir sind schon bei Sterzing vorbei. Auto um Auto, Wohnwagen um Wohnmobil, schwerst bepackt mit Freizeitgeräten, die einen ganzen Laden füllen könnten, schieben sich Richtung Süden. Bei Klausen fahre ich ab, da ein Unfall gemeldet wurde mit einigen Kilometern Stau. Das flüssige Fahr-Vergnügen währte nicht lange. Ein bundesdeutscher Kraftfahrer hatte sich in den Kopf gesetzt, vermutlich um ein paar Euros zu sparen, sein riesiges Boot auf der Staatsstraße zu transportieren und mit 40/50 km/h den Verkehr zu bremsen. Corona hat bekanntermaßen die Nerven der Bevölkerung nicht unbedingt gestärkt. Die Schlange hinter ihm wurde immer länger, die Nervosität der anderen Fahrer wuchs spürbar. Es dauerte auch nicht lange und die ersten wirklich gewagten Überholmanöver begannen. Ein Südtiroler Mander-Mensch lässt sich ungern bremsen durch einen urlaubssehnsüchtigen vor sich hintuckernden Bootstransporteur. Die Straße ist ziemlich kurvenreich, an einigen Stellen schmal und der Gegenverkehr war dicht, aber es gab kein Halten… einige Manöver waren sehr knapp.
Erst knapp vor Bozen ist es mir gelungen, besagten Urlauber zu überholen, die Transportkonstruktion war ziemlich lang und ich keine Freundin von riskanten Manövern. Eine halbe Stunde war ich recht geduldig, konnte ich mich dann aber auch nicht zurückhalten und bin einmal kräftig auf die Hupe getreten. Was ich daraus lerne für meine nächsten touristischen post-Corona Ausflüge? Der einheimischen Bevölkerung so wenig wie möglich auf die Nerven zu gehen und Umsicht vor Recht walten zu lassen. Keine touristische Besatzung, sondern wirklich Gast zu sein.
Was ich mich auch frage: Hat und wird Corona irgendetwas an unserem Reiseverhalten verändern? Die Kurzurlaubseuphorie scheint ungebrochen, wenn nur irgendwie möglich springen die meisten ins Auto oder in die mobile Beherbergung. Die mobile Variante muss ich sagen überrascht mich schon etwas. Wieso will man nach Corona noch enger mit der Familie kuscheln? Die Klagen über zu wenig Platz, alle auf engstem Raum zusammen, Homeschooling, Kinderbespassung, Homeoffice schon vergessen? Und dann auch noch bei feucht regnerischen Wetter? Aber eine der Long-Covid Folgen scheint ja „Mental Fog“ zu sein…
Bei meinem publizistischen Projekt „Lockdown Aufzeichnungen“ habe ich mich mit unterschiedlichsten Leuten über diese Zeit unterhalten, einige waren überzeugt, dass uns diese Krise wirklich etwas lehren werde, die Realisten aber meinten, dass das zwar schön gedacht aber wohl nicht eintreffen werde, sondern eher das Gegenteil: auf die Tube drücken, um aufzuholen, um sich dafür zu entschädigen, worauf man eine Zeit lang verzichten musste.
Wir sind das Pfingst-Wochenende zuhause geblieben. Es wurden zwei verregnete Wanderungen, bisschen arbeiten und viel Lektüre. Öfter mal zuhause bleiben, auch post-Corona, ist durchaus ok finde ich. Bei Mistwetter ist es zuhause eh (fast) immer feiner. Und es geht entschieden besser, wenn man nicht zuhause bleiben MUSS. Oft reicht schon die Idee zur Freiheit.
Da anzunehmen ist, dass das Nachholbedürfnis nach Sonne, Bella Italia und Meer riesengroß sein wird in den nächsten Monaten, haben wir unsere Sommer-Urlaubspläne geändert. Wenn sich die Kolonnen Richtung Süden schieben, fahren wir Richtung Norden, kühleren Temperaturen und vermutlich unstabilem Wetter entgegen. Aber Hauptsache Urlaub!
Yours,
Frau Susi
p.s. Wie läuft das bei euch?
p.p.s. Diese Woche gehts im Sustainable Fashion Blog um Schmuck. Zwei Designerinnen stellen ihre Arbeiten vor. Schaut vorbei!
Wir fahren dieses Jahr auch zum ersten Mal mit den Kindern gen Norden - Nordfriesische Inseln....
Liebe Frau Susi!
Zu Deinen letzten Text über Trennungen wollte ich nichts schreiben - ist bei mir gerade zu aktuell und unausgegoren...
Aber was Deine Meinung über viele Schweizer Autofahrer im Ausland betrifft, da musste ich schmunzeln, denn das empfinde ich ähnlich. Ich würde diesbezüglich vorschlagen bei den Schildern mit den Geschwindigkeitsbegrenzungen eine Zusatztafel „ausgenommen Schweizer“ anzubringen. Das könnte so manchen nachdenklich machen.
Und ja, wenn ich auch gerne mit den Öffis fahre, ist so ein Auto doch oft praktisch, aber jetzt hat die Zeit wieder begonnen, wo man in Tirol wieder überlegen muss, ob es klug ist an bestimmten Tagen gewisse Strecken zu wählen.
An Urlaub denke ich noch nicht, auf Ausflüge und Besuche aber freue ich mich...