Gegen Ende meines Jus Studiums habe ich begonnen in einer Familienrechtskanzlei in Wien mitzuarbeiten. Die Kanzlei hatte einen klaren feministischen Fokus und stand Frauen in Scheidungsangelegenheiten, Missbrauchsfällen etc. bei. Da ich mit meinem Studium etwas Sinnvolles anfangen wollte und keine Lust hatte ambitionierten Wirtschaftsheinis zu noch mehr Geld zu verhelfen, sollte es also Familienrecht sein. Meine Gerichtspraxis spielte sich zwischen Strafgericht, Familiengericht und Jugendgerichtshof ab. Diese Erfahrungen haben mir meine idealistische juristische Ausrichtung dann leider fürs erste ausgetrieben. Vermutlich war ich mit meinen 22, 23 Jahren einfach zu jung für diese juristischen Härten, für all die hässlichen Scheidungen, Missbrauchsfälle und Bedrohungen der vielfältigsten Art.
Dass Familien nicht unbedingt heilig, Beziehungen nicht immer Ort der gegenseitigen Entwicklungsförderung sind, das war mir schon vorher klar. Wir alle erleben Trennungen, werden verlassen oder verlassen. Trennungen tun meistens weh, werden von Gefühlen der Kränkung, Verzweiflung, Wut, Trauer und/oder Gefühlen der Schuld begleitet. Manchmal auch der Erleichterung. Da erzähle ich euch nichts Neues.
Da für mich Religion in erster Linie eine private Lebensbewältigungs-Strategie ist – die jede und jeder in welcher Form auch immer in Anspruch nehmen soll, wenn er/sie das braucht – hat sie für mich auch keine gesellschaftlich verbindliche Relevanz. Was die Kirche zur Ehe sagt ist mir eher egal. Vor allem da die meisten Aussagen ziemlich veraltet und äußerst misogyn sind, formuliert von lebensfremden, kontrollfreudigen Männern.
Einfach ist eine Trennung fast nie, vor allem wenn Kinder im Spiel sind. Jeder, der sagt, dass Leute das nur so aus einer Laune heraus machten, redet Unsinn finde ich. Auch die Social Media gestylten Celebrity-Scheidungsgeschichten sind sicher nicht nur glamourös und easy. Aber dass unsere neoliberale Konsumorientierung auch unsere Beziehungen beeinflusst und verändert, das denke ich schon.
Ich selbst bin geschieden, mein Sohn war vier Jahre alt, als ich mich von seinem Vater trennte. Im Laufe der Jahre habe ich nicht wenige Trennungen und Scheidungen von Freunden und Bekannten miterlebt. Und eines ist mir dabei klar geworden: Eine Scheidung ist so gut oder schlecht, wie die Beziehung vorher war. Das klingt vielleicht überraschend. Ich habe relativ ruhige Trennungen/Scheidungen gesehen, etwas heftigere und auch richtig hässliche. Da wurde manipuliert, gelogen und betrogen, Geld rausgepresst, Finanzen kaschiert, Kinder instrumentalisiert, Schuldzuweisungen vom Feinsten gemacht, Rache geschworen, einmal war auch physische Gewalt im Spiel… der ganze Katalog halt, egal ob Mann oder Frau. Ich denke wir sind uns klar darüber, dass wir in solchen Ausnahmesituationen nicht unbedingt immer die beste Version unseres Selbst sind. Und dass (akademische) Bildung nicht unbedingt ein Garant für zivilisiertes Verhalten sein muss.
Aber alles das war in irgendeiner Form vorher schon da, behaupte ich. Besser eingebaut ins alltägliche Beziehungsgefüge, abgeschwächter oder versteckter. Meistens wurschelt man sich ja irgendwie durch, kann die Schwächen oder das, was man nicht so mag beim Anderen, noch gut austarieren und alles dient dann auch dem höheren Zweck, nämlich die Familie nicht den Bach runtergehen zu lassen. Dass zwei Menschen irgendwann nicht mehr miteinander weiter durchs Leben gehen können/möchten, ist eine nachvollziehbare Sache, wir leben lange, da kann sich viel verändern. Auch wir selbst. Von dem beliebten Spruch, der einem gerne zu Geburtstagen serviert wird, „Bleib so wie du bist“, halte ich wenig. Hey, ich möchte mich entwickeln und auch das ein oder andere verändern. Wir sind aufgeklärte, moderne Menschen und müssen nicht durchhalten bis zum bitteren oder lauen Ende, wenn wir das nicht möchten. Menschen gehen unterschiedlich mit Belastungen um, halten Beziehungen, Familie und Kinder unterschiedlich gut aus…
Dass eine mehr leidet als der andere, eine gekränkter ist als der andere, ja. Aber dass man das Tor zur Hölle aufmachen muss und manchmal gar nicht mehr zumacht, das ist nicht notwendig. Gerade bei Belastungssituationen wie einer Trennung zeigt sich die Reife eines Menschen und auch wie verantwortungsbewusst er/sie ist. Das betrifft auch die Familien rund herum. Ich habe Familien beobachtet, die trotz aller Schwierigkeiten, das Fernziel immer im Auge hatten, nämlich den guten Umgang der baldigen Ex-Partner und die Kinder so wenig wie möglich zu beschweren mit Psycho-Schlamm. Ich habe aber auch Familien beobachtet, die genau umgekehrt agieren und ohne Rücksicht auf Verluste Rachefeldzüge fahren. Psychologische Begleitung ist meist eine gute Sache.
Bei einer Trennung/Scheidung zeigt sich also, was eine Beziehung wirklich wert war. Und ob gegenseitiger Respekt Teil des Deals war. Oder ob es bereits vorher schon um Macht ging, darum, den anderen zu besitzen, zu kontrollieren, zum Erfüllungsgehilfen seiner Bedürftigkeit zu machen. Oft unbewusst. Die meisten, mich inbegriffen, gehen Beziehungen ein, bekommen Kinder ohne sich selbst besonders gut zu kennen. Vor allem in jungen Jahren. Oft geht das eben nicht gut.
Im Rückblick würde ich einiges anders machen. Nicht die Scheidung an sich, aber einiges rundherum. Ich bin nicht stolz auf alle meine Handlungen. Der Vater meines Sohnes war und ist ein Gentleman, dafür war und bin ich dankbar. Er ließ mich ziehen, mir war klar, dass ich das alles veranstaltet habe und dass ich meinen Teil für ein gutes weiteres Einvernehmen zu leisten habe. Ich erinnere mich noch an den Ratschlag, der mir aus „Bolzano bene“ zugeraunt wurde: „Sich in einen anderen zu verlieben oder eine Affäre zu haben ist kein Grund für eine Trennung, das macht ja (fast) jede/r, das vertuscht man oder arrangiert sich und macht weiter“… Well, ich nicht. Ich habe meinem damaligen Mann (und meinem Sohn) einiges zugemutet, aber es ist uns gelungen, bis heute freundlich verbunden zu bleiben und all die Jahre für unseren Sohn da gewesen zu sein. Er hat wieder geheiratet und zwei wunderbare Töchter bekommen.
Gelernt habe ich auch, dass all das nicht klappt, wenn eine Seite nicht mitspielt, einer von beiden falschspielt. Je unguter eine Scheidung verläuft, desto unguter die Langzeitfolgen. Es braucht viel Großzügigkeit um sich gut zu trennen.
Wenn ich mir so manche Paar-Leichen in mittleren und späten Jahren anschaue, bin ich sehr froh, dass es gelaufen ist für mich, wie es gelaufen ist. Nur durchzuhalten um durchzuhalten ist für mich keine Art wie ich durchs Leben gehen möchte. Ich bin ja nun das zweite Mal verheiratet. Wir sind beide geschieden, mit sehr unterschiedlichen Trennungserfahrungen, und wissen sehr zu schätzen, was wir haben zusammen.
Also ich kann nur sagen: Augen auf bei der (langfristig geplanten) Partnerwahl. Wenn man sich vorstellen kann, dass eine Trennung/Scheidung von dem ins Auge gefassten Menschen (und seiner Familie) halbwegs gut gehen kann, dann ist die Wahl wohl gut getroffen.
Yours,
Frau Susi
Und zum Schluss noch ein paar Links:
Auf meinem Sustainable Fashion Blog @ franzmagazine plaudere ich mit Elsbeth Wallnöfer, die ihr ja schon kennt, über Tracht und Mode, identitätspolitische Streitereien, kulturelle Aneignung und ihren Stil.
Am Sonntag wurde in der Villa Merkel in Esslingen die Ausstellung Api Étoilé meiner lieben Freundin (und Trauzeugin!) Gabriela Oberkofler (digital) eröffnet. Nach Pfingsten soll es wieder ins Analoge gehen. Sie beschäftigt sich darin mit vergessenen Nutzpflanzen, alternativen Landwirtschaftsmodellen, hat ein Samenarchiv angelegt und bringt unterschiedliche Akteure in überraschenden Kombinationen zusammen. Und das alles in ihrer unverwechselbaren künstlerischen Formensprache.
Wer in Bozen lebt, aufgepasst: noch bis 23.5. könnt ihr euch bei den Vereinigten Bühnen Bozen Ferdinand von Schirachs Stück „Gott” anschauen. SEHR zu empfehlen. Es geht um das heikle und kontrovers diskutierte Thema Sterbehilfe. Toller Autor, tolles Stück, tolle Regie und sehr gut gespielt!