Das letzte Wochenende war kontrastreich. Zunächst mit dem Auto ins Kunstmuseum Liechtenstein zur ersten Ausstellung von Letizia Ragaglia. In “C(hoch)4” zeigt sie vier Positionen in vier Räumen. Nazgol Ansarinia – sie lebt und arbeitet in Teheran –, die gebürtige Argentinierin Mercedes Azpilicueta – lebt und arbeitet in Amsterdam –, das italienische Künstlerduo Invernomuto – Simone Bertuzzi und Simone Trabucchi leben in Mailand und Vernasca – und Diamond Stingily – sie ist in Chicago geboren und arbeitet in New York – erzählen mit ihren Arbeiten persönliche und weit darüber hinausreichende Geschichten und treten gleichzeitig in Dialog mit der Sammlung des Museums.
Letizia war zunächst freie Kuratorin im Museion in Bozen, dann Chefkuratorin und schließlich 12 Jahre Direktorin. 2021 übernahm sie die künstlerische Leitung des Kunstmuseums Liechtenstein. In all den Jahren ist sie zu einer guten Freundin geworden. Es war ein wunderbarer Abend, tolle Ausstellung, viele Gespräche, ich habe auch Leute aus Südtirol getroffen, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe, viel Musik und sehr, sehr gutes asiatisch-vegetarisches Flying Buffet.
Wenn ihr Zeit habt, schaut euch die Ausstellung an. Schon das Museum ist einen Besuch wert.
Auf der Rückreise dann noch nach Bregenz ins Kunsthaus und ein wenig am See sitzen. Und wieder zurück nach Bozen und umpacken und in der Früh hinauf mit einem kleinen Rucksack auf 2000 Meter. Wir sind als Küchen-Notfall-Team eingesprungen. Der Sohn meines Mannes hat vor kurzem eine große Hütte auf einer sehr schönen, auch sehr belebten Alm übernommen und der Koch und ein weiterer Küchenmitarbeiter fielen von einem Moment auf den anderen aus.
Der Kontrast hätte nicht größer sein können. Es waren zwei intensive Tage, ziemlich anstrengend, weil ungewohnte und zum Teil nie gemachte Arbeit. Ich hab ja 0 Erfahrung in einer Profi-Küche. Vor dem Gäste-Ansturm kiloweise Kartoffel schälen, einige Vorbereitungsarbeiten, einige Erklärungen. Und dann ging es los. Der zweite Koch musste die Rolle des ersten und zweiten Kochs ausfüllen, an seiner Seite zwei unerfahrene, aber umso engagiertere Küchengehilfen. Zwischen Teller anrichten, garnieren, Salate machen, Essensreste vom Teller in den Kübel wischen, Geschirr abspritzen, in die hochprofessionelle Spülmaschine einräumen, wieder ausräumen, Flächen putzen etc. etc. … Und das in einem Tempo, das kaum Zeit lässt mal was zu Trinken, aufs Klo zu gehen, geschweige denn irgendeinen Gedanken zu fassen, außer, das hier halbwegs hinzukriegen.
Ich hatte praktisch keine Ahnung wie stressig diese Arbeit ist, wie viel in einer Küche geleistet wird. Das war mir bisher nur theoretisch klar. Ich habe viel gelernt. Vor allem über mein Verhalten als Gast. Ich bin eine Spezialistin für Sonderwünsche. Sonderwünsche auf einer vollen Berghütte, die gerade erst aufgemacht hat? Ein Alptraum. Also etwas weglassen geht, halbe Portionen auch, aber dies und jenes und so und so. Ein No-Go. Das weiß ich jetzt. Natürlich ist es ein Unterschied in welchem Lokal man sich befindet. In einem anspruchsvollen Restaurant mit Profi-Mannschaft kann man, denke ich jedenfalls, doch den ein oder anderen Wunsch äußern.
Gastgeber haben ihre Verhaltenspflichten, aber Gäste auch. Wirklich ungeheuerlich fand ich den Anspruch eines Gastes am Samstag ein Zöliakie gerechtes Gericht für die Tochter zu servieren. Ohne Voranmeldung. Hoch oben am Berg. Und auf den höflichen Hinweis des Gastwirts, dass das momentan zu heikel sei, da der Betrieb eben erst eröffnet habe, das Team noch neu sei und die Küche das (derzeit) leider nicht leisten könne, auch noch laut wird – und den Gatten, der gar nicht mit war, online am nächsten Tag noch eine gesalzene Kritik schreiben lässt. Manchmal frage ich mich, was sich die Leute vorstellen? Ansprüche ohne Ende. Was ist das? Frustration? Oder sich einfach zu wichtig nehmen?
Zurück zu mir als Gast. Auch wenn manches länger dauert oder mal ein Fehler passiert, möchte ich gelassen und freundlich bleiben. Denn das Team strengt sich ja meistens doch sehr an und bei dem Tempo passiert eben auch mal was. Klar, wenn ein Team lange eingespielt ist, läuft es auch eingespielt. Dennoch ist die Arbeit sehr anstrengend. Ich habe höchsten Respekt vor Tellerwäscher*innen. Reden wir nicht vom Koch, der Köchin, auch den anderen Tätigkeiten wie Zimmer putzen und herrichten, servieren etc. Das junge Team jedenfalls auf der Hütte ist unglaublich fix und arbeitet hart.
Mit kleiner Karte, mein Mann war für Röstkartoffeln, Spiegeleier und Speck braten verantwortlich, ist es gelungen die Horde aus E-Bikern und Wanderern zu verköstigen. Mein Mann hat es auf den Punkt gebracht: da geht es gerade nicht um Food-Finessen, sondern ums blanke überleben der Aufgabe, allen etwas frisch Gekochtes zu servieren, die kommen.
Am zweiten Tag kam Verstärkung in die Küche, ein junger Mann, der zwar auch keine Küchen-Erfahrung hatte, aber unglaublich schnell und klug und tatkräftig das kleine Team ergänzte. Der Ansturm am Sonntag war wie vorausgesagt nochmals eine gesteigerte Version des Samstags. Aber wir waren schon ein wenig eingespielt und es lief wie am Schnürchen. Also fast alles jedenfalls. Was mich auch sehr beeindruckt hat: Wie viel es danach zu putzen, zu verräumen, zu ordnen gibt: Geräte, Töpfe, Lebensmittel, Flächen, Boden…
Die Luft am Berg ist herrlich, die Aussicht wunderschön und wandern, wenn alle schon wieder im Tal sind, ist ein Genuss. Wir sind am ersten Tag noch auf einen Gipfel rauf. Klingt mehr als es ist, eine Stunde rauf, eine runter.
Am Sonntag Abend wieder daheim, im eigenen Haushalt noch gearbeitet und Mails gesichtet. My goodness, trotz Müdigkeit, war das ein Kinderspiel. Ratzfatz alles gemacht. Und zum Abschluss ein feines, kleines Abendessen auf der Terrasse. Un brindisi ce lo siamo meritati.
Auch wenn ich nicht jeden Tag so arbeiten möchte, auch nicht könnte: was ganz anderes zu machen, so ganz raus aus dem Gewohnten und der eigenen beruflichen Komfort-Zone, tut wirklich gut. Und macht auch Spaß. Wie gesagt: Auch wenn ich selbst glaube kein gemeiner Gast zu sein, werde ich in Zukunft viel bewusster auf der anderen Seite der Lieferkette sitzen.
Meine Gedanken zum Rummelplatz-Tourismus werde ich heute nicht ausführen, da bereite ich gerade ein Gespräch mit dem Hotelier Michil Costa (er hat dazu das Buch „Raus aus dem Rummel“ geschrieben) und laifain-Gründerin Ursula Pichler für meine Radio-Sendung „Wie geht Zukunft?“ vor. Will keep u posted.
Und solltet ihr einen Ausflug auf diese Hütte planen wollen: Starkenfeldhütte auf der Rodenecker Alm, ich empfehle die Knödel, das Gulasch und die Röster mit Spiegelei. Und unbedingt die Mehlspeisen probieren, die sind ein Hit. Was mir nicht einleuchtet: Wieso wollen so viele Menschen am Berg Hirtenmakkaroni essen? Ich kann dem Gericht bis heute gar nichts abgewinnen.
Yours,
Frau Susi
PS Im Blog geht’s aktuell um das Textilsiegel GOTS (Global Organic Textile Standard). Denn wer besser produzieren, besser einkaufen möchte, braucht Orientierung. Zu unübersichtlich ist der Markt. Nicht nur für Konsument*innen, sondern auch für viele Brands. Textilsiegel spielen eine wichtige Rolle auf dem Weg der Textilindustrie zu mehr Nachhaltigkeit, Fairness und Transparenz. Eine 100%ige Garantie aber gibt es nicht, dass das, was versprochen, sprich zertifiziert wurde, auch immer stimmt. Das haben zuletzt wieder Betrugsfälle bei der Bio-Baumwoll-Produktion in Indien gezeigt. Die New York Times hat vor Ort recherchiert und ist dabei auf einige Ungereimtheiten gestoßen.