Liebe Newsletter Freundinnen und Freunde,
es ist still geworden um Frau Susi in den letzten Wochen. Nicht, dass mir nicht sehr viel durch den Kopf ginge, aber das, was ungeordnet erscheint, lässt sich (noch) nicht wirklich in Worte fassen und das etwas Geordnete lässt sich besser in politischen Analysen und Hintergrundberichten zur aktuellen Situation nachlesen. Etwas anders ausgedrückt: mir fehlt jegliche Inspiration über Persönliches zu schreiben. Weil es derzeit wohl auch nicht darum geht.
Vor kurzem habe ich in Leandra Medine Cohens Newsletter etwas gelesen, das mich sehr angesprochen hat. Sie schreibt da über „femininity“, inspiriert vom “Book of Esther“. “One thing I have noticed lately as it relates to my personal writing is that I don’t really do it to convey what I’m sure of — like what I think I know to be true. I take to the page when I want to figure something out, when it’s not fully formed or fleshed out, when I’m in pursuit of clarity but not exactly there. In a best case scenario, I find the clarity. More often lately, I don’t. I think this lack of finding has been wrestling me into quietude and that has just been confusing me more.“
Schreiben ist auch für mich immer wieder ein Klärungsprozess. Ich schaue mich von außen an, beobachte, frage nach. Und wie gesagt, ich lächle immer wieder über mich, Ironie ist mir ein Werkzeug, vor allem mir selbst gegenüber. Dieses Werkzeug funktioniert gerade nicht so. Ich lächle/lache natürlich auch über andere. Auch da gibt es gerade nicht viel zu lachen. Gerne würde ich zum Beispiel über den aktuellen Südtiroler Polit-Skandal lachen. Aber da stehe ich nicht drüber, das ärgert mich, nein, das ist zu soft ausgedrückt: ich würde diese rückgratlosen Machtheinis einfach gerne weit wegjagen.
Seine Kraft in Vernichtungsphantasien zu verlieren ist natürlich nicht hilfreich. Dennoch wünsche ich mir, dass jemand zum Beispiel die Courage hat, vor allem die Gelegenheit, Putin auszuschalten. Also sind wir wieder beim Ohnmachtsmanagement – das scheint sich zu einer Schlüsselkompetenz für Gegenwart und Zukunft zu entwickeln – und den kleinen Schritten, die möglich sind. Zumindest in einem Land, in dem die meisten von uns am Abend in ein warmes Bett gehen können, nicht frieren müssen und wo einem keine Bomben entgegen fliegen. Im Umkehrschluss heißt das, wir sind aufgefordert, das mögliche zu tun, um zu helfen, ganz einfach, weil wir es können. Und auch mitzugestalten, dass sich etwas verändert.
Was mich derzeit immer wieder irritiert: die Ignoranz nicht weniger Influencer*innen auf Social Media, die mit Enthusiasmus und heiterer Naivität ungebrochen ihre neuen Handtaschen-Passionen, wertbefreiten Collaborations, beschwingten Champagner-Wochenenden mit uns teilen. Klar, das Leben geht weiter, jede tut, was sie zu tun hat, niemand erwartet politischen Aktivismus (der auch sehr nervig sein kann), aber ein Minimum an Gespür für die Zeitläufte? Natürlich ist immer irgendwo Krieg, passiert irgendwo immer auch was Schreckliches und wir können nicht die Probleme des gesamten Planeten auf unseren Schultern tragen. Aber: Es gibt so etwas wie Anstand. Dazu hat der deutsche Journalist Axel Hacke zum Beispiel vor einigen Jahren ein kleines, feines Buch geschrieben: „Über Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen.“ Einem Kriegsbeginn in Europa öffentlich mit strahlenden Urlaubs-, Party- und Happy-Fotos zu begegnen oder so zu tun, als ginge alles ganz normal weiter und uns ginge das überhaupt nichts an, das geht für mich nicht. Vor allem nicht, wenn man sich im öffentlichen Raum bewegt. Auch wenn ich jetzt mit dem Finger zeige, I know, not cool, aber so empfinde ich es und möchte es auch mal gesagt haben.
Gestern habe ich eine Podcast Folge der Fashion-Journalistin und Aktivistin Clare Press gehört in der es um „radical hope“, aktive Hoffnung, geht, im Zusammenhang mit dem Klimawandel und sehr konkret, im Zusammenhang mit den Überschwemmungen in Australien. Sehr interessant fand ich, dass die zu diesem Thema Interviewte meinte, hope, radical hope, habe mehr mit Realismus als mit Idealismus zu tun. Es gehe darum, die Realität zu sehen wie sie ist, nicht besser und nicht schlechter und aus dem heraus das zu tun, was möglich ist. Den „Positiv-Enthusiasten“ erteilt sie eine Absage, das sei wenig wertschätzend, bestenfalls dumm. Also: radical hope. Das gefällt mir.
Wann sich Frau Susi wieder meldet weiß ich nicht genau. Auf alle Fälle inzwischen: Take care. Und lasst uns im oben genannten Sinne aktiv hoffnungsvoll sein.
Yours,
Frau Susi
PS
Wie gewohnt noch einige Hinweise: Für meine Radiosendung „Wie geht Zukunft?” habe ich ein Gespräch mit der jungen Fridays for Future Aktivistin Majda Brecelj geführt.
Meine Freundin, die Schriftstellerin Sabine Gruber, organisiert am 10. April im Bozner Stadttheater eine Lesung, wo Spenden für die Ukraine gesammelt werden. Gerti Drassl, Manuela Kerer, Gustav Hofer, Tanya Malyartschuk, Esther Stocker, Josef Zoderer und andere lesen aus Texten ukrainischer Autor*innen. Wenn ihr in Südtirol seid, kommt vorbei!
Im Sustainable Fashion Blog ist ein ganzer Haufen erschienen: ganz aktuell, eine Buchbesprechung: Oscalito CEO Dario Casalini hat die Slow Food Prinzipien „gut, sauber und fair“ auf die Textilindustrie übertragen – ergänzt um „durevole“, „langlebig“. “Vestire buono, pulito e giusto. Per tornare a una moda sostenibile” ist bei Slow Food Editore erschienen.
Ein Interview mit dem umtriebigen Südtiroler Modemacher Richard Vill, bei dem ich sehr viel über alles mögliche erfahren habe, gibts hier.
Secondhand Mode findet ihr nun auch in Tscherms. Mehr dazu hier.
„Offashion“ heißt das ambitionierte Research- und Workshop-Projekt der Italo-Brasilianischen Designerin Maria Pasqualini. Maria entwickelte ein Workshop Format und Starter Kit, das es Teenagern ermöglichen soll, auf ihre ganz persönliche Fashion-Reise zu gehen. Mit dem Ziel, sich rundherum wohl in ihrer Kleidung zu fühlen und einen reflektierte(re)n Umgang mit Mode zu entwickeln. Interessiert? Hier geht’s lang.
„In eigener Sache” über meinen Sustainable Fashion Blog und das bisher nicht skalierbare “Businessmodel” schreibe ich hier.
Fashion Experte Theo Grassl fordert hier mehr ganzheitliches Denken und spricht über die Modewelt im Umbruch.
Und die Designerin und IT-Expertin Anna Franziska Michel stellt hier ihr ziemlich cooles Tech Start Up “yoona.ai” vor, mit dem sie der Tesla für die Modewelt werden möchte.