Für den letzten Newsletter ist mir kein passender Titel eingefallen, in diesen Tagen fällt mir kein (mich) überzeugendes Thema ein, über das ich schreiben möchte. Das kommt selten vor, für gewöhnlich fällt mir viel ein. Ist es das Wetter? Sind es die ständig schlechten Nachrichten über die vielen Naturkatastrophen oder politischen Krisen? Habe ich einfach zu viel geschrieben und produziert, wenige Pausen gemacht? Dabei fühle ich mich nicht gestresst. Midlife – und damit oft verbundene Krisen – ist auch schon vorbei.
Ich habe das Gefühl, ich stecke fest, hänge zwischen den Seilen und Zeilen. Gerade regnet es schon wieder, gleichzeitig ist es schwül – ich habe den Text gestern geschrieben. Allmählich können wir uns in Bozen als tropische Klimazone anmelden. Richtig mitgenommen hat mich die Berichterstattung über das Auftauen der Permafrostböden. Darüber wurde zwar immer wieder geredet, einige Anzeichen gab es bereits, aber dass das jetzt anscheinend im großen Stil beginnt Realität zu werden, hat mich erschüttert. Unvorstellbare Mengen an Methangas sollen freigesetzt werden. In vielen Klima-Berechnungen wird das aber noch viel zu wenig berücksichtigt, heißt es zumindest. Die Fragen, die ich mir dabei stelle: Was soll ich tun? Das Große lässt sich ja nicht steuern von hier aus. Was muss ich präsent halten, was verdrängen? Ich lebe ja ausgesprochen gerne und möchte eine gewisse Leichtigkeit auch leben können, auch wenn Bequemlichkeit oder ein bequemes Leben führen keine Lebensziele sind von mir, nie waren. Also wie kann ich das, was ich kann, so einsetzen, dass ich dabei Freude habe und es dazu beiträgt Gesellschaft und Planet in eine bessere Richtung zu bringen? Und: Reicht das schon, was ich mache?
Da so ein Gefühl bei mir gleich zu den großen Fragen führt, frage ich mich auch: Soll ich ganz was anderes machen? Aber was? Brauche ich eine zusätzliche Ausbildung? Meine Vielfältigkeit sehe ich zwar meist als Stärke an, aber ab und an auch als Fluch. Von Vielem etwas, aber keine klare Kontur, außer, dass ich eben ich bin und in keinem Korsett arbeiten möchte/kann. Bei mir häufen sich die Fragen. Die Antworten bleiben derzeit gerade aus.
Nun bin ich nicht jemand, die aufgibt oder sich mit den Zuständen so wie sie sind zufriedengibt, solange man selbst halbwegs komfortabel mit dabei ist. Dennoch erschlägt mich die Wucht der Veränderungsbedürftigkeit dieser Welt immer wieder. Oder eben gerade jetzt.
Was hilft sind Gespräche und Begegnungen mit Menschen. Mit guten Freunden, viele habe ich lange nicht gesehen. Und von diesen Begegnungen gibt es derzeit, da bin ich froh darum, nicht wenige. Nicht einfach nur so ein Blablabla, sondern Austausch, andere Standpunkte, andere Kontexte, andere Erfahrungen, manchmal auch Inspiration… Ich höre zu, genieße das Zusammensein, lasse mich berühren und gebe natürlich jede Menge eigenen Senf dazu.
Wehe die Impfverweigerer vermiesen uns dieses halbwegs unbeschwerte Zusammensein wieder im Herbst und Winter. Die Lockdowns waren zwar lehrreich in vielerlei Hinsicht, aber sie waren hart, beruflich und privat. Südtirol ist Schlusslicht beim Impfen in Italien, das lässt nichts Gutes erwarten. Ich schließe mich da der durchaus emotionalen Aussage einer Freundin an, die meinte, dass jetzt Schluss sei, ihre Geduld sei zu Ende, sie habe ihre gesellschaftliche Pflicht getan und tue sie weiterhin und wenn es wieder Einschränkungen geben muss, weil ein Teil der Gesellschaft völlig daneben sei, dann sollen eben die daheim bleiben.
Ich bereite mich auch gerade auf eine Episode meiner Radiosendung „Wie geht Zukunft?“ vor, auf das Gespräch mit einer jungen Südtiroler Sozialwissenschaftlerin, die an der ETH forscht, bald für einige Zeit nach Harvard abdüst, und sich mit Verhaltensaspekten in Bezug auf den Klimawandel beschäftigt. Beeindruckend kluge junge Frau, sehr interessant, was sie macht, auch sehr klar, was sie sagt. Zum Beispiel meint sie, dass Flüge innerhalb Europas schon jetzt ein absoluter no go sein sollten. Die Grünen Deutschlands haben das ja auch schon gefordert und sind entsprechend abgewatscht worden. Also wer traut sich sowas umzusetzen? Und ich frage mich natürlich auch, ob ich dazu bereit wäre? Ungern muss ich sagen, aber wenn es nicht anders geht…
Zurück zu meinem Feststecken. Was auch hilft ist meine persönliche Entspannungs-Literatur. Gestern Abend hab ich mir eine alte Agatha Christie herausgeholt, ich habe viele, alle schon mehrmals gelesen. Das klingt vermutlich komisch bei Krimis, aber einiges vergesse ich wieder, manchmal sogar den ganzen Plot, aber auch wenn ich ungefähr weiß, worauf es hinausläuft, kann ich die Geschichten genießen. Sie beruhigen mich, genauso wie die 20. Lektüre von Jane Austens „Pride and Prejudice“. Da wird überall viel Tee getrunken, bei Agatha Christie tauche ich ein in englische Befindlichkeiten und Krimiaktivitäten in Zeitlupe, bei Jane Austen passiert eigentlich kaum was, aber dann doch wieder sehr viel.
Gerade habe ich mir eine Tasse Tee gemacht und verabschiede mich nun zu einer Nachkriegsspionage-Geschichte von Agatha, zu Miss Peshmark, Inspector Hartford, einer Sheila Webb, einem Colin Lamb und zu Hercule Poirot. Und wenn mir wieder was einfällt, dann melde ich mich natürlich wieder. Vielleicht habt ihr ja auch Anregungen für mich, für die kleinen und die großen Fragen. Immer willkommen.
Yours,
Frau Susi
p.s. Im Blog geht´s diese Woche um „Shop your closet“, also den eigenen Kleiderschrank. Ich schnappte mir einige meiner „Ladenhüter” und versuchte sie so zu stylen, dass ich wieder Lust bekomme, sie regelmäßig anzuziehen.
Bleibt mir gewogen und geniesst den Sommer!
und ich versuche auch diese Frau Susi in ihrem waren Wesen zu erfassen: Sie scheint eine interessante, selbstbewusste und doch auch (angenehmerweise) manchmal zweifelnde Frau zu sein.
Vieles, was sie schreibt, kann ich sehr gut nachfühlen, bei manchem bin ich zwar ganz anderer Meinung, aber achte die ihre.
…und ich sitze auf der höchsten Sanddüne Europas (Dune Du Pylat), habe eben Deinen Text gelesen und lasse die Gedanken vorbeiziehen, während ich auf die großartige Weite der Landschaft blicke: vielleicht 6000 km nach Westen, bis Kanada, ist nur Meer, was geht in jedem Einzeln, der sich auf diesem riesigen Sandspielplatz mit mir tummelt, vor, wie verbunden bin ich - als Teil der Menschheit, wie kann ein Lächeln schon erfreuen?